Streiten Zukunft MAGAZIN

16 | ALSTERTAL MAGAZIN MAGAZIN Streit über Schulden, Flüchtlinge, Brexit, Hamburgs wildes Wachstum und die Stimmung im Land. Alles mies? Miteinander reden. Miteinander Lösungen suchen. Miteinander streiten. Dressel: Einspruch, Du argumentierst mit alternativen Fakten. Streiten um die Zukunft Wir beiden spüren, das der gesellschaftliche Zusammenhalt erodiert. Das Vertrauen in die Eliten zerbröselt. Nehmen wir das Beispiel Schulden: Zur Zeit sind es 2,2 Billionen Euro, mit denen sich Bund, Länder und Kommunen verschuldet haben. Ich rechne einmal: Wenn wir fünf Prozent Zinsen bezahlen müssten, was immer normal war, wären das jedes Jahr 100 Milliarden (!), die wir nur für Zinsen aufwenden müssen. Ohne Tilgung! Einer Gesellschaft mit sinkender Population schnürt das den Hals ab. Und dann diskutieren wir darüber, ob wir hier nochmal zehn Milliarden ausgeben wollen, und da noch mal Wahlgeschenke machen. Ich finde das unverantwortlich und es macht mich wütend. Wir müssen sagen: Nein, wir können nicht diesen unglaublichen Schuldenberg einfach der nächsten Generation überlassen. Jetzt ist Schluss mit Wahlgeschenken auf Kosten unserer Enkel! Die sind schon jetzt für ihr ganzes Leben pleite. Wir müssen umsteuern, und da spreche ich Dich direkt an. Wir müssen jetzt sparen und unsere nächste Generation der Schuldenfalle schützen. Aber das tun wir doch. Wir haben die Schuldenbremse in Bund und Ländern und die wird eisern eingehalten, im Bund und in Hamburg. Wir haben jetzt Haushaltsüberschüsse im Bund und in Hamburg - und wir werden die Schuldenbremse einhalten. Wir müssen in dieser Nied- rigzinsphase vorsorgen, um die Finanzen auf einen solideren Weg zu bringen. Und sinnlose Wahlgeschenke kann ich jedenfalls in Hamburg nicht erkennen. Wir haben eben über die Mittelschicht mit Abstiegs- ängsten geredet. Wenn wir sagen, Normalbürger müssen sich ein Leben in Hamburg leisten können, dann passt es dazu, dass die Grundbetreuung in der Kita und das Grundstudium kostenfrei sind. Das ermöglicht nämlich, dass wir für Leute, die nicht aus einem reichen Elternhaus kommen, von der Krippe bis zum Hörsaal echte Bildungsgerechtigkeit schaffen, dass die hier die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für jeden möglich ist. Keiner muss hier rechnen, ob er sich einen Kitaplatz leisten kann, sondern hier können Mann und Frau arbeiten gehen und das Kind ist in der Kita gut betreut. Das heißt, das ist eine aktive Investition in die Stadtgesellschaft. In unserer Medienstadt Hamburg gibt es Redak- tionen, denen viele Bürger nicht mehr trauen. Einige sprechen sogar von Lügenpresse. Sie kritisieren, dass wenn nicht gelogen allerdings nicht alles berichtet wird. Es wird schön geredet, schön geschrieben, um den gesellschaftliche Zusammenhalt nicht zu gefährden. Außer bei Trump, dem neuen Klassenfeind. Ich bin erinnert an die letzten Monate der DDR: Auch dort haben Journalisten von NEUES DEUTSCHLAND und der Aktuellen Kamera brav berichtet, alles sei super im eigenen Haus, bis zum 9. November um sich am 10. November 1989 bereits beim NDR zu bewerben. Also mit Verlaub, wir können die Schlussphase der DDR nicht mit einer Situation vergleichen, wo wir Rekord-Steuereinnahmen, Rekord-Exportergebnisse, positivste Wirtschaftsdaten in allen möglichen Bereichen haben. Du zeichnest ein Zerrbild der Wirklichkeit. Das Leben ist nicht nur Geld. Nein, aber ich werbe ein bisschen mehr für Zuversicht und dafür, dass wir uns von der schlechten Laune der AfD und Populisten nicht anstecken lassen, sondern dass wir auch ein bisschen stolz darauf sind, was wir in diesem Land, in dieser Stadt in den letzten Jahren gemeinsam geschaffen haben. Und da bin ich bei Dir, natürlich gibt es viel zu tun. Wir haben große Herausforderungen, lokal, national und auch global, aber dass man sagt: Wir können diese aus einer Position der Stärke heraus anpa- cken. Insofern fand ich das Leitmotiv vom Abendblatt-Chefredakteur Lars Haider Optimismus statt Populismus für 2017 schon richtig. Ein Beispiel gegen die Miesmacher: Wir haben jetzt zu Beginn des Jahres ein weltweit beachtetes Konzerthaus trotz aller Schwierigkeiten und aller Skandale, die diesen Weg begleitet haben, eingeweiht. Und mit dieser Haltung, glaube ich, können wir ganz vieles meistern, weil wir in diesem Land, in dieser Stadt schon ganz vieles gemeistert haben und ich werbe auch hier bei den Leserinnen und Lesern des Alster-Magazins dafür, zu sagen: Packen wir es an. Niemand will Probleme klein reden, aber es gibt auch keinen Grund, davor wegzulaufen und in Angst und Schrecken zu verfallen. Einspruch, Andreas. Wir hatten doch die schöne Stimmung. Wir hatten doch nach der Wiedervereinigung ein tolles Klima, als wir alle stolz waren auf Deutschland und unsere wunderbaren Fußball-Weltmeister- schaft 2006 feierten, als wir uns getraut haben, auch ich mich getraut habe, einmal ein kleines Fähnchen mit schwarz-rot-goldenen Farben zu schwenken. Und meine Wahrnehmung ist, dass wir es jetzt überzogen haben. Damals war etwas entstanden wir durften uns auf unsere nationale Identität wieder ein bisschen beziehen und sagen: Nicht: Wir sind stolz auf Deutschland aber wir freuen uns, in diesem Land zu leben. Und meine vielen Gesprächs- partner sagen, dass sei ihnen wieder verloren gegangen. Und es hat etwas mit der Flüchtlingspolitik zu tun, die hat etwas mit uns gemacht. Mir sagen übrigens auch meine ausländischen Freunde mit Stirnrunzeln, dass war ein Fehler bei euch. Das steht so nicht im Abendblatt, aber so ist die Stimmung im Land. Klar, wir hatten eine positive Grundstimmung bei der Fußball-WM. Dann gab es die Finanzkrise, wo in der Tat abenteuerliche Summen zur Rettung des Bankensystems investiert werden mussten, damit unsere Wirtschaft nicht über die Wupper geht. Das hat die Staatengemeinschaft und auch Deutschland im Ergebnis gut gemeistert. Kein Bürger hat di- rekt Einbußen erleiden müssen, dadurch, dass der Staat diese Situation bewältigt hat. Dann kam die Flüchtlingskrise, natürlich sind da auch Fehler gemacht worden. Das will ich überhaupt nicht in Abrede stellen. Aber wir sind doch ein demokratisches Gemeinwesen, was in der Lage ist, auch auf Fehlentwicklungen demokratisch zu reagieren. Ist doch allen klar, dass sich eine Situation wie im Herbst 2015 nicht wiederholen darf, wo der Staat ein Stück weit die Kontrolle verloren hat. Aber ich finde jetzt, Anfang 2017 kann man doch an ganz vielen Stellen sehen, was geändert worden ist, damit sich eine Überforderungssituation wie im Herbst 2015 nicht mehr wiederholen kann. Daraus entwickeln wir neue Zuversicht! Das ist dafür, wofür ich werbe. Nebenbei: Auch bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise wurde keinem Deutschen auch nur ein Euro weggenommen. Mein Appell daher: Nicht wieder ins Schneckenhaus zurückziehen und sagen: Alles schlecht. Sondern zu sagen: OK, es hat Fehlentwicklungen gegeben, daraus ist gelernt worden, daraus sind Maßnahmen entwickelt worden, man hat korrigiert und jetzt geht es nach vorne zu den nächsten Herausforderungen. Einspruch! Meine Gesprächspartner sagen mir, es sei überhaupt kein Happy End, wenn jene Frau Merkel, die das alles zu verantworten hat, diese riesigen Fehler, wieder einfach nur antritt und sagt: Ich bin die Richtige. Fortsetzung von Seite 15