Lieber verreisen KOLUMNE

ALSTERTAL MAGAZIN | 3 KOLUMNE V O N W O L F G A N G E . B U S S Lieber verreisen? Raus ins Grüne, die Stadt verlassen? Oder mitdemonstrieren und Mei- nung zeigen? Oder sich desinteres- siert geben: Was geht mich das an, sollen die doch machen! Oder aber den inneren Groll einmal zulassen und den Mächtigen und zweifel- haften Gästen zeigen, wie viel Wut und Entrüstung wirklich in uns steckt: NO G20 . Oder ist es klüger, die schon bei hunderttausenden Flücht- lingen erprobte Willkommenskul- tur auf den Gipfel und seine 10.000 Teilnehmer ausweiten? Wo stehen Sie , liebe Leserinnen und Leser? Haben Sie sich schon eine Meinung oder einen Plan? Wo werden Sie sich positionieren? Wieder einmal stehen wir Hamburger vor einer Entscheidung. Damals hatte sich eine relative Mehrheit gegen die korrupten Machenschaften beim IOC und damit gegen Olympia entschieden, trotz sagenhaft engagierten Befürwortern. Nicht alle Hamburger sind als Mitläufer bekannt! Was bringt G20? Das wohl wichtigste Argument lautet, miteinan- der reden ist weitaus besser als Krieg führen. Ob als Handelskrieg, Propagandakrieg oder blutigem Krieg. Diplomatie ist immer die bessere Lösung. Dieses wichtige Argument scheint allerdings zahllose Bürger nicht zu überzeugen. Sie wollen auf zahlreichen Anti-G20-Kundgebungen demonstrieren. Die größte dürfte am Samstag stattfinden, bei der 50.000 bis 100.000 Demonstranten erwartet werden. Die Liste der Teilnehmer aus derzeit 170 Gruppen und Organisationen ist ein Querschnitt der kritischen Zivilgesellschaft . Von ganz Links bis ganz Rechts, Globalisierungsgegnern, Kapitalismuskritikern, Gewerkschaf- ten, Kirchen, Autonomen. Grenzenlose Solidarität statt G20 soll den Staatsoberhäuptern entgegengestellt werden. Zu ziemlich allen Themen der umfangreichen G20-Agenda hat man Gegenpositionen formuliert. Anders als zum G20-Gipfel 2016 ja, wo war der noch schnell? will man in Hamburg zeigen, was in Hangzhou (China) nicht geduldet war: Gegenwehr, Opposition! Zwischenzeitlich nutzen auch Minigruppen die Chance, mit G20 ins Licht zu kommen, die mit dem Gutmenschen-Pathos Wir sind die Netten und der Phrase Haltung.Hamburg um Aufmerksamkeit betteln. Sie sind dafür, dagegen, egal, Hauptsache sichtbar! Auch ein Weg! Sorgen bereitet allerdings eine andere Klientel: Die Wutbürger , mit tiefem Hass auf nahezu alles, was diese Gesellschaft ausmacht, besonders aber wohl auf sich selbst . Heute als Hooligan, morgen als Kämpfer mit dem Slogan: G20 WELLCOME TO HELL . Das klingt nicht nach Wir sind die Netten, sondern nach Adrenalin, ausgelöst von gleich mehreren Hassfiguren, die ihnen den Kamm schwellen lässt: Trump, Erdogan, Putin! Und jeder Polizist wird für sie, wenn Adrenalin und Testosteron soziale Intelligenz überlagern, zur bestgehassten Figur. Das verspricht nichts Gutes. Wer ist eindeutig für G20 in Hamburg? Natürlich die Offiziellen! Bürgermeister Scholz sagt, es sei richtig, dass Regierungschefs mitei- nander reden und es sei eine Ehre für Hamburg, wenn sie es hier tun. Soll der absurde Aufwand zum Ersatz für ein verschmähtes Olympia werden? Eine gigantische Politshow statt Gesprächsterminen? Über die Kosten werden wir alle nicht umfassend informiert (von mehr als 200 Millionen ist die Rede). Und was machen Sie nun zum G20, war meine Eingangsfrage? Ver- reisen? Was auch immer, genießen Sie die Freiheit, Ihre individuelle Entscheidung treffen zu können! Das ist schon ein Wert an sich!