MAGAZIN gangen Problem

16 | ALSTERTAL MAGAZIN gangen. Problem: Wenn ich mal zwei Wochen Pause gemacht hatte und weiterschreiben wollte, wusste ich gar nicht mehr, wo ich war. So würde das nichts werden, das wurde dem Hummelsbüttler irgendwann klar. Ein Ort musste her, an dem er in Ruhe schreiben kann. So kam ich auf die Idee, mit einem Frachter drei Wochen lang von Hamburg nach Namibia zu fahren. Das war praktisch und hatte noch einen weiteren positiven Effekt. Viele Kerle aus unserer Familie sind zur See gefahren. Davon habe ich als Junge von St. Pauli auch mal geträumt. Im reifen Alter hat er es quasi noch geschafft. Und es hat funktioniert, denn viel los sei als einziger Passagier nicht an Bord gewesen. Man stehe mit dem Gedanken an das Buch auf, esse etwas und schlafe mit dem Gedanken an das Buch ein. Unterbrochen wird diese Monotonie vom monotonen Blick auf Wasser und Himmel und Horizont, wenn man an der Reling stehe. Immer das gleiche Bild. Tagelang. Das macht was mit einem in der Birne, sagt Achim Reichel lächelnd. Vor allem habe das ruhige Nachdenken bei ihm Türen der Vergangenheit geöffnet. Plötzlich fallen einem Personen, Namen und ganze Sätze ein, die man längst vergessen wähnte. Etwas Abwechslung gab es dann doch einmal, ein Seemann erkannte ihn und so gab es das berühmte Aloja heja he gemeinsam mit den Seemännern. Passt ja auch. Eine Zeile dieses magischen und zeitlosen Titels wurde dann auch zuEine Zeile dieses zeitlosen Titels wurde dann auch zum Titel der Autobiografie. Ich hab das Paradies gesehen. Weil mir beim Schreiben klargeworden ist, dass es das Schicksal gut mit mir gemeint hat. Es hat sich alles zusammengefügt. Und hatte auch Glück, denn so manche Entscheidung hat mich im Nachhinein zu MAGAZIN Achim Reichel, Ich hab das Paradies gesehen, Rowohlt Buchverlag, 9/2020, geb., 416 Seiten, 24 Euro neuen, guten Dingen geführt. Meine Frau sagt immer, ,bei deiner Geburt muss eine Fee am Bett gestanden haben. Rückblickend könne er manchmal gar nicht glauben, was er alles erlebt habe Dazu ein passende Stelle aus dem Buch: Wenn ich heute in meinem Musikzimmer stehe, umgeben von Vynil- und CD-Regalen, dann bin ich in meiner Welt. Was sich hier innerhalb von 60 Jahren miterlebter Musikgeschichte angesammelt hat, legt in stilistischer Vielfalt Zeugnis darüber ab, welch einzigartigen musikalischen Reichtum die große Ära der Rockmusik in einem halben Jahrhundert hervorgebracht hat. Bei jeder wahllos herausgegriffenen Scheibe schickt mich die eigene Erinnerung zurück in meine Vergangen- heit. (S. 289) In der traf Reichel beispielsweise schon 1961 auf die Beatles, als sie auf der Reeperbahn im Top Ten Club nur Begleitband waren. 1966 begleitete er sie mit seinen Rattles die er zusammen 1960 mit Herbert Hildebrandt gegründet hatte , bei einer Tournee in Deutschland im Vorprogramm. Die Beatles und die Rolling Stones (1963 waren die Rattles mit ihnen in England auf Tour, d.Red.) waren am Anfang ja noch nicht bekannt. Es war ganz normal, mit ihnen zusammen zu sein, das war halt so. Dieses authentische Miterle - ben und Mitgestalten von Musikgeschichte ist sicherlich einer der Hauptpunkte, der die Faszination Achim Reichel ausmacht. Und, dass er nicht in der Vergangenheit stecken geblieben ist, sondern sich immer wieder neu erfunden hat. Ob Shantys, Balladen oder deutsches Liedgut, etwa in den Volxliedern. Die Leute hielten mich für verrückt. Ich wollte es aber und im Nachhinein war es richtig. Diesen Weg beschreibt er in seinem Buch und das ist lesenswert! kw Das Alstertal Magazin war mehrfach bei Achim Reichel im Studio zu Gast. Dieses Foto entstand 2004 im Rahmen eines Interviews zu 100% Leben die Live-Doppel-DVD. Gibt im Buch einen guten Einblick in sein Leben, vom Jungen auf St. Pauli bis zum Musiker: Achim Reichel in den 50ern, 69ern und 70ern (v.l.). K a i W eh l, 20 04 H in ric h Fr a nc k G ün te r Zi nt Je ns A rt hu r